Bereits im 17. und 18. Jahrhundert sorgten reisende deutsche und ausländische Theatertruppen für das sehr vergnügungssüchtige Dresdner Publikum in den verschiedenen Gebäuden der Hoftheater, in Schlössern in Dresden und Pillnitz und vielen anderen Spielstätten (z. B. Belvedere im Brühlschen Garten, Altes Gewandhaus am Neumarkt, Zinzendorffscher Gartensaal, Theater im Linckeschen Bad) für volkstümliche Unterhaltung in deutscher Sprache. 1743 führten Brünner Komödianten im Gewandhaus erstmals Vaudevilles und kleine Operetten auf. Die bunte Vielfalt der Unterhaltungskultur jener Jahre ist ein sehr weites Feld und nicht Forschungsgegenstand dieses Archivs, welches der Aufarbeitung der Historie der fest in der Stadt etablierten bürgerlichen Profitheater und Vergnügungsstätten nach 1813 gewidmet ist.
Nach den Schrecknissen der Napoleonischen Kriege und der nachfolgenden russischen und preussischen Besetzung verlangten die Dresdner nicht nur nach demokratischen Reformen, sondern auch nach moderner Bildung, Infrastruktur und Kultur für das aufstrebende Bürgertum. Schon 1813 vereinigte der russische Gouverneur Repnin die Institutionen des Hoftheaters - königliche Kapelle, das deutsche Schau-und Singspiel und die italienische Oper - unter einer Generalintendanz. Bis zu den revolutionären Ereignissen 1830 werden u.a. die Medizinische Akademie, die Polytechnische Bildungsanstalt, der "Dresdner Anzeiger" und die Sparkasse gegründet. Die wachsende Bevölkerungszahl zwingt zu weiteren Strukturveränderungen und Modernisierungen. Die Niederlegung der Dresdner Festungsmauern, die Einführung einer Verfassung für das Königreich Sachsen, die Festlegung von Stadtbezirken in der Landeshauptstadt und technische Neuerungen wie der Eisenbahnbau, Gasbeleuchtung der Straßen und Plätze und die Eröffnung von Pferdeomnibuslinien in Dresden sind nur einige Marksteine der damaligen rasanten Entwicklung bis zur Revolution von 1849. Nach den blutigen Maitagen jenes Jahres triumphierte jedoch die Reaktion.
Zutiefst verunsichert und bedrängt durch die Repressalien der monarchistischen Restauration beschäftigte sich das Bürgertum von nun an vor allem mit der Organisation seines wirtschaftlichen Erfolges und suchte Zerstreuung und Vergnügen bei den Darbietungen des Hoftheaters und einiger bürgerlicher Privattheater. Viele kurzlebige Unternehmen wurden in der Hoffnung auf reichen Gewinn durch "Theater-Aktien" von Gasthofsbesitzern, Handwerkern und Kaufleuten ins Leben gerufen. Sie boten Possen, Schwänke und Singspiele auf meist bescheidenem Niveau. Es gab aber auch künstlerisch ernstzunehmende, gut ausgestattete und fortschrittliche Theatergründungen, die bald zur bedrohlichen wirtschaftlichen und geistigen Konkurrenz für die privilegierte und angestaubte Hoftheaterkultur heranwuchsen.
Die vorgeschriebenen Konzessionen der Königlichen Amtshauptmannschaft beschränkten das Repertoire der Privattheater auf Schwänke, Possen mit Gesang und Operetten. Die eingereichten Stücke wurden von der Zensurbehörde misstrauisch überwacht. Jahrmarktscharakter, Sensationshascherei und humoristische und gewisse erotische Freizügigkeiten solcher Vorstellungen faszinierten die Dresdner jedoch ebenso wie die sittsamen und künstlerisch hochstehenden Darbietungen in den Hoftheatern, denen die hehre Dramen- und Opernkunst vorbehalten blieb. Lauter Jubel oder gar Missfallensäußerungen wurden allerdings dort von der Polizei im Zuschauerraum sofort geahndet (siehe Polizeiverordnung vom 20. April 1854, Dresdner Anzeiger 22.04.1854), während im Volkstheater mit seinen oft tagesaktuellen Texten Beifall und Zwischenrufe beste Stimmung garantiert war.
Bürgerliche Kulturvereinigungen nach 1830
Zum Zweck der gehobenen Bildung und Unterhaltung schlossen sich Bürger zu Musik- und Theatervereinen zusammen und brachten selbst klassische Schauspiele und Musikstücke zur Aufführung. So entwickelte sich neben den bürgerlichen Profi-Theatern auch das ganz besonders kundige und kritische Dresdner Publikum, dessen Begeisterung immer schon gleichermaßen dem Schwank und der Wagner-Oper, dem Zirkus und dem Sinfoniekonzert galt.
Das erste Laientheater in Dresden war das Societaets-Theater, welches zur Gründung 1776 aus 15 Adligen und Bürgern bestand. Es existierte bis 1832 und wurde 1999 als städtisches Theater wiederbelebt.
Vereine im Dresdner Adressbuch von 1835 (Slub)
Theatervereine im Dresdner Adressbuch von 1850 (Slub)
Magnus kam vermutlich in Niederfähre bei Meißen zur Welt (Datum unbekannt) und hatte einen jüngeren Bruder. Sie zogen mit ihrer Theatertruppe, einer "Schmiere erster Güte" im Land umher, wohl sogar bis Leipzig, Halle und Jena. In und um Dresden traten sie auf Messen, Jahrmärkten und Schießfesten auf, in der Stadt in ca. 15 Schanklokalen und kleinen Sälen. Ab 1840 war es meist das obskure Tanzrestaurant "Kurfürstens" auf dem Elbgässchen. Magnus war auch Trompeter bei der Kommunalgarde.
1846 Der Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker verfasst für Magnus das Spektakelstück "Kunibert von Eulenhorst, der geschundene Raubritter".Es wird zum Dauerbrenner der Truppe und bis zum Ende ihres Bestehens hunderte Male aufgeführt.
1848 Gerstäcker beschreibt eine Vorstellung bei Magnus:
"Ein Saalraum, von dem die Bühne etwa den dritten Teil einnehmen mochte, enthielt das Theater. Ein ziemlich viereckiger Vorhang, dessen Fläche von einem Gurkenmaler mit wundersamer Malerei versehen worden war, zu dessen Seiten zwei mit Wald bemalte Zeugstreifen bis zu den Saalwänden aufgespannt waren, bildeten das Äussere der Bühne. Der Zuschauerraum hüllte sich in mystisches Dunkel, das nur erhellt wurde durch fünf, auf Blechprofitchen gesteckte schwindsüchtige Talglichter, die auf ebener Erde stehend, die Illumination abgaben. Zwischen diesen und einer doppelten Reihe von Rohrstühlen des 1. Platzes lagerte in malerischer Unordnung eine Schar jubelnder Kinder schulpflichtigen Alters beiderlei Geschlechts, die für einen Sechser Eintrittsgeld die Pflicht mit übernommen hatten, das Ausblasen, Wiederanzünden und Putzen der Lichter zu besorgen, je nachdem es das, meist in das Ermessen der Zuschauer gestellte Hell- oder Dunkelwerden der Handlung bedingte. Das Publikum dieser Vorstellungen rekrutierte sich meist aus der Klasse der Handwerksgesellen, Lehrlinge, Dienstmädchen, Soldaten, Schiffer, Fischer etc. Die etwas nobleren Gäste des 1. Platzes durften zwar einen höheren Eintrittspreis zahlen, mussten sich aber gefallen lassen, dass die Mehrzahl der Zuschauer über ihre Köpfe hinweg in die Handlung hineinredete, Glossen machte, die Akteurs, je nach Ermessen, mit Obst, Pfannkuchen, Knackwürstchen, Kränzen oder Akazienzweigen bewarf oder sonstige unnütze Dinge auf die Bühne beförderte. (...) Die Szenerie der Bühne war unter allen Umständen »Wald«, gleichviel, wo die Handlung sich abzuspielen hatte. Die Schauspieler, im gewöhnlichen Leben meist Maurer, Zeitungsträger, Handarbeiter, Bänkelsänger etc. waren nichts weniger als Künstler, mit Ausnahme des Direktors, der Cymbel (Hackebrett), Pauke, Becken und Triangel schlug und als Trompeter verdienstlich wirkte. Vor Beginn der Vorstellung leitete er, gestiefelt und gespornt, mit Mantel und Barett angetan, das Kassenwesen am Eingang. Kunstgenossen, also Leute vom Fach, hatten bei Magnus freien Eintritt. So erzählt man, dass einst die Mitglieder der Hofbühne, Emil Devrient und Joseph Tichatschek, sich den heiteren Ulk der Magnusbühne leisten wollten, bei dem Eintritt zum Saale des »Weinlaub« auf der Gerbergasse, vom Direktor mit der Ansprache begrüßt wurden »Kunstgenossen zahlen kein Entree!« Man kann sich kaum denken, welch Kunstgenuss dem Besucher zuteil wurde, wenn auf dieser Bühne, auf der nur gleichzeitig höchstens drei, später vier Personen erscheinen durften, das »Schauspiel Freischütz mit Chören in vier Aufzügen« gemimt wurde, das u.a. am 26. Februar 1848 auf dem Tanzsaal »Kurfürstens« zur Aufführung kam. Die Handlung war unvergleichlich und nach dem Urteile eines Zuschauers »barbarisch schön«. Die Chöre passten überall eher hin, als zur Handlung und wurden nicht allein von den Akteuren auf und hinter der Bühne, sondern auch vom gesamten Publikum unter Gejohle und Gelächter mitgesungen. Sämtliche Kostüme wurden ein für allemal, für wöchentlich 2 Thaler, vom Juden Meyer geliehen. Allerdings wurde wöchentlich nur ein Stück, aber dieses oft an sieben verschiedenen Plätzen gespielt; die Schauspieler (...) verloren selbst bei ärmlichem Verdienste nie den Mut und spielten geduldig, mit unerschütterlicher Ausdauer die Fährlichkeiten ihrer Bühne verachtend, selbst wenn bei wüstestem Tumulte kein Wort zu verstehen war, ihre gut oder schlecht gelernte oder selbst erfundene Rolle schlicht und recht durch.(...) Licht kam nur in die Theaterszenerie, wenn der Direktor, um den Blitz darzustellen, Kolophoniumpulver durch die Lichtflamme blies. Donnergeräusch, Kanonengebrüll, Gewehrfeuer, Mondscheinbeleuchtung, Tag und Nacht wurden in der Denkbar einfachsten, urwüchsigsten Ausführung dargeboten.(...) Besonders interessant waren diejenigen Theaterabende, wo verbreitet wurde: »Heute wird die Schlacht bei Dresden oder bei Leipzig mit allen Instrumenten aufgeführt!« oder: »Heute kommt Magnus aus der Versenkung!«. Im letzteren Falle entstieg der Gefeierte einem Tragkorbe ohne Boden."
Quelle: Emil Wiedemann in "Dresdener Kunst und Leben" 1899, S. 592-594
Johann Joseph Magnus soll zweimal verheiratet gewesen sein und zehn Kinder gehabt haben. Er starb am 4. Dezember 1849 in seiner Wohnung in der Dresdner Marktgasse.
Amalie Auguste Magnus, im Dezember 1812 geb. Groll aus Jöhstadt, seine Witwe führte als "Wittwe Magnus" das Theaterunternehmen weiter und machte sich besonders auf der Dresdner Vogelwiese einen Namen. Das Ritter-, Schau- und Trauerspiel "Kunibert von Eulenhorst" wurde an manchen Nachmittagen dort bis zu 25 mal aufgeführt, die Tageseinnahmen betrugen oft mehr als 100 Thaler. Ihr gesamtes Spielrepertoire umfasste 30 - 40 Stücke von meist unbekannten Verfassern, z.B. Hans Michel aus der Fremde oder drei Väter auf einmal", "Die Wiener in Berlin" oder "Der Nachtwächter auf dem Brunnenhäuschen".
Aus einer Pressemitteilung von 1851: "25.12.1851 Theater im „Elephanten“(Friedrichstadt): „Don Juan oder: Der vierfache Mord“ Truppe der Witwe Magnus im Januar Theater im Weinlaub und auf den Scheunenhöfen bei Herrn Risse:„Kunibert von Eulenhorst, der geschundene Raubritter“, spielt auch in Neustadt Casernenstraße bei Herrn Starke und in der Pirnaischen Vorstadt Amalienstraße bei Herrn Silbermann."
Als Mitwirkende wurden bis 1849 außer den Mitgliedern der Familie Magnus öfter genannt: Der Intrigant Wäsch, Kadner als Vertreter "unschuldiger Rollen", Frau Gautzsch in Hosenrollen, Fräulein Wildner als "Sobirette", Frau Wäsch als ländliche Liebhaberin neben Frau Magnus, welche den höheren Kultus pflegte; der erste Liebhaber war Herr Budtei. Amalie Magnus verstarb am 7. Juni 1881 in Grosshartmannsdorf bei Freiberg auf ihrer letzten Gastspieltour.
1848 - 1851 Sommer-Naturtheater auf der "Grünen Wiese" in Dresden-Gruna Die „Grüne Wiese“ war ein Gasthaus zwischen Gruna und Seidnitz an der Kreuzung von Landgraben und der Straße nach Pirna gelegen. (Stadtwiki Dresden) 13. Juni 1848 "Marie, die Tochter des Regiments" Vaudeville in 3 Akten von Blum, Musik von mehreren Komponisten; 1. Platz: 8 Ngr. (DA 13.6.1848, S. 3)
14. Juli 1849 Eröffnung des "Tivoli - Theaters" vor dem Plauenschen Schlage durch den Strumpfwirkermeister Ferdinand Voigt (Garten des Hofzahnarztes Ruschpler, heute Bergstr. 2) im Winter 1849/50 spielt das Theater im Hotel de Pologne (Schlossstraße 6)
1849 - Das Theater- und Zirkusgebäude auf dem Jüdenteich Auf einem Plan des Stadtzentrums (df_dk_0010637), angefertigt von Johann Gotthold Hessler sen. im Jahre 1837 und aktualisiert von Oscar Hessler jun. 1849, ist auf dem Gelände des (also wahrscheinlich schon 1848) verfüllten Jüdenteiches (heute Georgplatz) ein großes Gebäude eingezeichnet und mit der Bezeichnung "II. Theater" versehen worden, wahrscheinlich eine Holzkonstruktion. Ab Juni 1850 tritt der Zirkus Renz im "neuerbauten Zirkusgebäude auf dem Jüdenteich" auf. Über Aussehen und Besitzer des Baues ist mir bisher noch nichts bekannt. Möglichkeit 1: Ferdinand Voigt, der sein Unternehmen selbst gern "II. Theater" nannte, plante dort ein festes Haus in der Stadt für die Wintersaison seines "Tivoli-Theaters" vor dem Plauenschen Schlag, die Finanzierung gelang nicht (1850/51 spielte Voigt auf dem Wollboden Waisenhausstraße 31), das voreilig als Theater in den Plan gezeichnete Bauwerk wurde halbfertig verkauft und dann als Gastspielarena für Zirkusse ertüchtigt und vermietet.
Möglichkeit 2: Nesmüller (siehe dort) projektierte 1854 sein vom König konzessioniertes festes "II. Theater" in diesen Plan an Stelle des Zirkusbaues hinein, allerdings brachte auch er das Kapital für ein Stadttheater nicht zusammen, blieb im Winter im Gewandhaussaal und ließ zusätzlich das Sommertheater im Großen Garten bauen. Um 1860 wurde der Zirkus abgerissen und 1866 die Kreuzschule errichtet. Die wahre Geschichte um dieses Gebäude ist noch zu erforschen, wer darüber etwas weiss, kann sich sehr gern mit seinen Kenntnissen an mich wenden.
April 1850 Gründung eines "Volkstheaters" in der Scheffelgasse 32, damals Innungshaus der Schuhmacher
5. Mai 1850 Beginn der Vorstellungen des „Volkstheaters“ im Saal zum "Polnischen Brauhause", Große Meißner Gasse Nr. 19 (heute Parkplatz des Hotel Bilderberg-Bellevue; 1850 noch alte Hausnummer 10) in Dresden-Neustadt unter Direktion Karichs
12. Mai 1850 Saisoneröffnung des „Stadttheaters“ im Tivoli vor dem Plauenschen Schlage (Garten Ruschpler; wegen Witterung verschoben vom 9.Mai)
unter der Direktion des II. Theaters (Ferdinand Voigt, Theaterbüro Josefinengasse 18)
Im Winter 1850/51 spielt das selbsternannte "II.Theater" auf einem Wollboden in der Waisenhausstrasse 31
18. Mai 1850 Ein „Volkstheater“ eröffnet das „Tivoli“ im Reußischen Garten in Antonstadt
April 1851 Beginn der Presse-Campagne gegen den Direktor des Zweiten Theaters (Waisenhausstraße 31), Ferdinand Voigt, per Lesereinsendungen. Voigt war vor Weihnachten in Konkurs gegangen und blieb Chef und Konzessionsbesitzer des Zweiten Theaters. Der von ihm herbeigeholte Direktor Friedrich Mathes hatte ab Weihnachten den Spielbetrieb mit seinem Ensemble (bereits bekannt aus Reisewitz) aufrechterhalten. Die Voigt-Schauspieler mußten mitten im Winter verarmt Dresden verlassen, nachdem die ersten Mitglieder des Hoftheaters „noch eine Soirée musicale zu ihrem Wohle“ veranstaltet hatten. Voigt sei nicht mal Schauspieler, nur erfolgloser Unternehmer mit nicht nur einem theatralischen Schiffbruch in den vergangenen Jahren, ihm gehöre deshalb die Konzession entzogen, ein Sommer-Tivoli unter seiner Leitung müsse verhindert werden.
Ab 13. Juli 1851 Sommertheater im Gasthof "Potz-Blitz" in Blasewitz, Direction Wilhelm Zirkel
„Schloß Greifenstein“ Ritterschauspiel von Charlotte Birch-Pfeiffer, ab 14. Juli
„Der bengalische Tiger“ und die Liederposse „Die Wiener in Berlin“
Das Sommertheater wird bis Ende des Jahrhunderts weitergeführt.
Weitere Freilicht- und Saaltheater bis zur Jahrhundertwende (in Bearbeitung)
ab Mai 1876 Volkstheater im Diana-Garten Florastraße/Jagdweg (Angeschlossen an das Ball-Etablissement "Diana-Saal")
Dezember 1897 Eröffnung eines Volkstheaters in den neu erbauten Wettiner-Sälen Friedrichstr. 12 durch Theaterdirektor Moritz Richter aus Chemnitz (DNN 18.12.1897)
DNN 13.01.1898 Volkstheater. "Die Vorstellungen in den „Wettiner Sälen“ finden sehr großen Beifall; das wirklich prächtige Lokal, sowie die künstlerisch ausgeführten Dekorationen, hauptsächlich aber die vorzüglichen Leistungen des Richterschen Schauspiel-Ensembles sind es, welche Jedermann zum Besuche der Theaterabende einladen. Die Darbietungen sind streng solider, volksbildender Natur. Dadurch ist dem Publikum Gelegenheit geboten, für wenig Entree angenehme Stunden zu verbringen.
BJB 1897: Reisende Gesellschaft Moritz Richter, Sachsen, Löbau/ Sebnitz; BJB 1898: Radeberg
ab Januar 1898 Volkstheater im "Münchner Hof" Kreuzstraße
Stücke: "Buschliesl", "Was Gott zusammenfügt", ab Mitte Februar dann "Die lustigen Steyrer" (Josef Schöpfer nebst 5 Damen)
DNN 10.02.1898 "Die Theatervorstellungen im „Münchner Hof“ (Oberer Saal) haben sich sehr gut eingeführt, die Leistungen des Ensembles (6 Herren und 6 Damen) sind durchweg gute. Die bisher aufgeführten Stücke haben dargethan, daß es der Direktion vorwiegend daran liegt, nur streng Solides vorzuführen. Aus diesem Grunde seien die Vorstellungen, welche täglich Abends 8 Uhr beginnen, Jedermann bestens empfohlen."
Im Vorort Plauen begann 1844 die Geschichte des kommerziellen bürgerlichen Volkstheaters in Dresden.
Am Endpunkt einer der 1838 neu eingeführten Pferdebuslinien ins Umland der Residenzstadt ließ der geschäftstüchtige Gutsbesitzer Bunke zur Belebung seiner Gastronomie ein Sommertheater errichten. Dort spielten fortan professionelle Theatertruppen alljährlich von Mai bis Oktober Gesangspossen, Schwänke, Operetten und sogar Opern. Geschäftstüchtige Wirte organisierten riesige Volksfeste rund um die Theaterspektakel. Die Dresdner strömten in Scharen nach Reisewitz, was sofort zur ernsthaften Konkurrenz für die Sommerbespielung des Hoftheaters auf seiner Sommerbühne im Linckeschen Bad wurde. An der Weißeritz in Löbtau/Plauen tat man die ersten Schritte auf dem Weg zu einem bürgerlichen Stadttheater für Dresden. Eine Aufführung von Webers "Freischütz" und Gastspiele von Bühnenstars wie Josef Christl, Josef Böhm und Marie Geistinger waren Höhepunkte in der Geschichte des "Tivolis auf Reisewitz".
Das als "Reisewitzscher Garten" bekannte Gelände befand sich zwischen Weißeritz und Tharandter Straße. Seinen Namen verdankt das Grundstück dem Bergdirektor Johann Wratislaw von Reisewitz, in dessen Besitz es sich von 1702 bis 1709 befand. Es erstreckte sich ungefähr von der heutigen Würzburger Straße bis zum Kreisverkehr Altplauen. Dort befand sich auch das Schloß der Gräfin Kielmannsegge, in dem sie 1863 starb. Es war ab 1692 ursprünglich von Kurfürst Johann Georg IV. für seine Mätresse Sybille von Neitschütz gebaut und mit Wasserspielen und einem schönen Park umgeben worden. Seit dem 17. Jahrhundert hatte das Gut viele wechselnde Besitzer, bis es am 25. April 1868 von der Reisewitzer Actien-Bierbrauerei erworben wurde.
Die einzige bekannte Darstellung des Theaters konnte ich im "Dresdner Anzeiger" vom 4. Juli 1852 entdecken, sie wurde zur Grundlage meiner Rekonstruktion.
Das Hauptgebäude des Sommertheaters von 1844 wurde 1850 erneuert und am 26. Mai 1850 neu eröffnet.
Seine Maße sind auf ca. 10 m mal 25 m zu schätzen, bis jetzt wurden keine Pläne gefunden.
Außerdem existierte seit 1850 eine Freiluft-Arena.
1854 fand die letzte und bedeutendste Spielzeit im Reisewitzer Theater unter der Direktion Nesmüller statt.
Im Deutschen Krieg 1866 wurde der Garten Preussisches Artillerie-Depot.
Während der nachfolgenden Übernahme und Nutzung durch die Reisewitzer Acten-Bierbrauerei bestand die Gastwirtschaft weiter und war eine bekannte Versammlungsstätte der Dresdner Arbeiter.
1895 Verkauf des gesamten Parkes mit Gebäuden an eine Baugesellschaft, Beginn des Abrisses aller historischen Bauten und Rodung der Bäume
Nach weiteren Zerstörungen durch das Weißeritz-Hochwasser von 1897 wurde das Gelände mit Fabriken und Wohnhäusern bebaut.
Höhepunkte aus der künstlerischen Chronik des Theaters auf Reisewitz
27.5.1844 Eröffnung des Sommertheaters auf Reisewitz neben der Restauration des Vorwerkbesitzers August Bunke im Dorfe Plauen bei Dresden, es spielt die Gesellschaft des Direktors Friedrich Mathes, sie besteht aus 32 Künstlern und Mitarbeitern
„Die Bühnenweihe“ Allegorisches Vorspiel von Görwitz „Die schöne Athenienserin“ , Original-Lustspiel von Feldmann
25. Juni 1844 "Der böse Geist Lumpcivagabundus" von Nestroy, Josef Christl a.G.
28. Juni 1844 "Der Liebestrank" Lustspiel in vier Akten von Benedix
Juni 1849 Wiederaufnahme des Theaterbetriebs nach den Revolutionsereignissen, Direktor: H. Titze
Juli 1849 Gastspiel des berühmten Komikers Börner vom Thalia-Theater Hamburg, u.a. am 20. Juli im "Fest der Handwerker" von Angely
26. Mai 1850 Eröffnung des neuen Theatergebäudes mit "Staberls Reiseabenteuer in Frankfurt und München" Wiener Posse mit Gesang in 4 Akten
30. Mai 1850 "Der Unbedeutende" Posse mit Gesang von Nestroy
2. Juni 1850 Eröffnung der neuen großen Arena
mit einer Fest-Ouvertüre von Lösener, Prolog von Regisseur Hensel und "Die Bastille, oder: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" Original-Lustspiel von Berger
9. Juni 1850 Große Arena auf Reisewitz "Bestürmung und Brand der Festung Ofen, oder: Der Held in Sklavenketten" Großes Spektakelschauspiel in 3 Akten mit einem Vor- und Nachspiel von Charlotte Birch-Pfeiffer
23. Juni 1850 Große Arena auf Reisewitz "Ruhe will ich haben, oder: Die Weltreise eines Dresdner Kapitalisten" Große Zauberposse mit einem Vorspiele und fünf Bildern: England, Frankreich, Russland, Preußen, Italien Die zum Schluß wandelnde Dekoration zeigt:Tetschen, Hernitzkretschen, Schandau, Königstein, Pirna Pillnitz, Waldschlößchen, Dresden
27. Juli 1851 Die Schaustellerin Christiane Pavelowsky lässt in Reisewitz im Rahmen eines Theater- Sommerfestes zwei Heißluftballons aufsteigen
22. August 1850 Große Arena auf Reisewitz: „Der Stumme und sein Affe“
Melodrama. Marmizetto, ein Affe: Herr Klisching, erster Mimiker
des ersten Pariser und Londoner Theaters
Mai 1852 Saisonstart des „Tivoli-Theaters auf Reisewitz“ mit „Die Engländer in Paris“, Lustspiel von Charlotte Birch-Pfeiffer
4. Juni 1852 "Der Freischütz" Romantische Oper in vier Akten von C.M.v.Weber Max: Tenor Franke a.G. (ehemals Hofoper) Das Theater verfügt erstmals über einen Chor unter Leitung von Musikdirektor Schulze, der in der gesamten Spielzeit mitwirkt
6. Juli 1852 Großes Konzert von zwei Musikkorps, dargeboten werden Stücke von Verdi, Weber, Wagner, Johann Strauß, Donizetti u.a.
1853 Eduard Schermann wird Direktor des Sommertheaters auf Reisewitz (vorher Direktor des herzogl. Hoftheaters Ballenstedt, vereinigt mit Rudolstadt, BJB 1853)
13. Juni 1853 Erstes Gastspiel des Komikers J.F. Nesmüller vom k. k. privileg. Carls-Theater in Wien im Sommertheater auf Reisewitz in Plauen bei Dresden, „Stadt und Land oder: Der Viehhändler aus Ober-Österreich“ Posse mit Gesang in 3 Akten von Friedrich Kaiser, Sebastian Hochfeld - J.F. Nesmüller
4. Mai 1854 Festliche Neueröffnung des renovierten Sommertheaters unter der Direktion Nesmüller, mit: Festspiel in 1 Akt; hierauf : Stadt und Land, Posse mit Gesang in 3 Akten
von Kaiser;
Anfang 7 Uhr, Ende halb 10 Uhr
11. Mai 1854 „Die Erbschaft“, Lustspiel in 1 Akt von Kotzebue, Johanna, 6 Jahre alt- Aurelie Kern (Nesmüllers Nichte,
Tochter von Cornelia Kern, geb. v. Leuchert)
„2 Häuser voller Eifersucht“ Original-Lustspiel in 3 Akten von Altmann
15. Mai 1854 „Ein armer Teufel, oder: Wer will Vater sein?“ Posse mit Gesang und
Tanz von Ferdinand Nesmüller, Musik von ebendemselben
Im zweiten Akt Stufenjahre-Polka
18. Mai 1854 Geburtstag von König Friedrich August,
Große Festvorstellung im Sommertheater auf Reisewitz
„Der 18. Mai, oder: Thaliens Glückwunsch“ Festspiel in 1 Akt von Ferdi-
nand Nesmüller (mit neuer Schlußdecoration). Hierauf auf Verlangen
zum dritten Male „Zwei Häuser voller Eifersucht“
Heute Freivorstellung für Kinder in Begleitung Erwachsener
31. Mai 1854 „Die Hochländer in den bairischen Alpen, oder: Der Wildschütz und sein
Dirndl“ Volksgemälde mit Gesang, Tanz und Zytherspiel in 3 Abthei-
lungen von Prüller, Musik von Prummer 1. Der Kirchtag am See, 2. Das
Fensterln bei der Rosl, 3. Die Rückkehr in die Berge
4. Juni 1854 Eröffnung der neu renovierten Arena im Sommertheater mit
„Der Schuster in floribus“ Posse mit Gesang in 3 Akten von Nesmüller
4 bis 6 Uhr und
„Die Bettlerin, oder : Der Hammerschmied von Marienburg“ Volks-
gemälde in 5 Akten von J. Meißner, 7 bis 9:15 Uhr
12. Oktober 1854 "Die falsche Pepita" Schwank mit Gesang und Tanz von Müller. Als Gäste Marie Geistinger und Josef Böhm aus Wien
23. Oktober 1854 12. Vorstellung "Die falsche Pepita" Letzte Theateraufführung der Direktion Nesmüller im Theater auf Reisewitz.
14. Mai 1855 Eröffnung der neuen Saison Direktion Leopold Prée, letzte Vorstellungsanzeigen Anfang Juli 1855 ("Die Bummler von Dresden")
1856 beabsichtigt die Direktion Carlsen, Sommervorstellungen in Reisewitz zu geben, geht aber dann lieber nach Potschappel (DJ 8. Oktober 1856, S. 1000)
1775 Fertigstellung des "auf Spekulation" erbauten Theaterhauses auf dem Gelände des 1766 von Superaccisrat Karl Christian Lincke begründeten Kur- und Erlebnisbades mit Spitzengastronomie an der Prießnitzmündung. Es war der angesagte Vergnügungsort für die Höflinge und die bessere Gesellschaft in Dresden. Die Sommerbühne wurde vom Hoftheaterensemble und internationalen Gästen mit gehobenen Unterhaltungsstücken bespielt. 1858 wurde der inzwischen marode Bau abgerissen.
Die ausgewählten Termine aus der Saison 1850 zeigen das Bemühen der Hoftheaterintendanz, der Konkurrenz durch die aufkommenden bürgerlichen Sommerbühnen etwas entgegen zu setzen. Auch in den Hoftheatern im Stadtzentrum waren Komödien und Possen mit Gesang nunmehr salonfähig, weil Kassen füllend. Der umjubelte Schauspieler, Sänger und Stückeschreiber Nesmüller wurde wenige Jahre später mit zwei eigenen festen Theatern in Dresden zum erfolgreichsten Konkurrenten der Hofbühnen.
20. Mai 1850 Hoftheater zur Eröffnung der Saison im Linckeschen Bade: „Der Diamant des Geisterkönigs“ Zauberspiel von Raimund
31. Mai 1850 Hoftheater im Linckeschen Bad: „Der Talisman“ von Nestroy,
Feuerfuchs: Josef Christl als Gast
22. Juni 1850 - Hoftheater in der Stadt „Die schöne Müllerin“,
Lustspiel von Schneider, Jean: Josef Ferdinand Nesmüller von den
Vereinigten Theatern Hamburg als Gast
Hierauf: „Unter der Erde, oder: Freiheit und Arbeit“
Original-Charakterbild mit Gesang in 3 Akten, von
Elmar. Musik von Kapellmeister Franz von Suppé.
Hans Bierschrot: Josef Ferdinand Nesmüller als Gast
28. Juni 1850 Hoftheater im Linckeschen Bade: „Der böse Geist Lumpaci Vagabundus“ Zauberposse, Schneider Zwirn: Josef Ferdinand
Nesmüller als Gast
8. Juli 1850 Hoftheater im Linckeschen Bade: „Unter der Erde, oder: Freiheit und Arbeit“ Hans Bierschrot: Josef Ferdinand Nesmüller
(letzte Gastrolle am Dresdner Hoftheater)
Das österreichische Multi-Talent Josef Ferdinand Nesmüller kann mit Fug und Recht als Vater des modernen bürgerlichen Volkstheaters in Dresden bezeichnet werden. Mit dem hohen Anspruch einer Symbiose von Bildungs- und Unterhaltungstheater für alle Stände begründete er eine Tradition, die bis heute in der "Staatsoperette Dresden" und den privaten Theatern der Stadt weiterlebt. Seine legendären Gestaltungen der großen komischen Rollen der klassischen Operette, die Führung des Ensembles seines "Zweiten Theaters" zu hoher professioneller Qualität und die höchst erfolgreichen erstmaligen Interpretationen der Werke Offenbachs und Suppés in Dresden machen ihn zu einem Großen der Theatergeschichte dieser Stadt. Bedeutend auch seine Fähigkeiten in Bezug auf die Repertoiregestaltung - neben seinen vielen eigenen Stücken und den gängigen Possen und Schwänken aus Wien und Berlin bereichern Werke von Shakespeare, Schiller und Gogol den Spielplan. Immer sucht Nesmüller nach neuen Ausdrucksmitteln und dem Weg zu einer fesselnden realistisch-dramatischen Bühnendarstellung, die sich von der Hoftheater-Konvention unterscheidet. So lässt er Volkstypen mit den Händen in den Taschen agieren und Dialekt sprechen und vergibt die Rolle des Prinzen Hamlet an eine Frau. So viel Gespür er für die Bühne hatte, so sehr mangelte es ihm nach den Umbrüchen von 1871 im Hinblick auf das Geschäft und die Zeichen der Zeit. Aber der Schatten des unrühmlichen Endes seines Dresdner Theaters wird überstrahlt vom jahrzehntelangen Wirken eines großartigen, innovativen Künstlers.
geboren am 9. März 1818 zu Trübau/ Mähren als Sohn eines Schuhmachers, ursprünglicher Name Franz Müller
1831 Tod der Mutter, zum Broterwerb Schuhmacherlehre, musikalischer Autodidakt
1834 (16 Jahre alt) Lehrerseminar in Olmütz, nach bestandener Prüfung Hilfslehrer in St. Michael,
gleichzeitig 2. Geiger im Orchester des Olmützer Stadttheaters, dort gibt ihm Direktor Carl Burghauser eine Chorstelle mit Solo für 10 Gulden Monatsgage
1.11.1835 erster Bühnenauftritt
April 1836 Engagement bei der Wanderbühne Eduard v. Leucherts in Proßnitz
(18 km südwestlich von Olmütz) als jugendlicher Liebhaber
18.10. 1841 Heirat von Franz Müller mit Agnes von Leuchert , diese hat Schwestern Anna, Cornelia und Bruder Eduard, Franz fertigt ihre weißseidenen Hochzeitsschuhe selbst und übernimmt die Geschäftsführung seines Schwiegervaters, Franz legt sich Künstlernamen Josef ferdinand Nesmüller zu (Vorsilbe vom Namen seiner Frau), 1845-1850 Engagements in Breslau, Magdeburg, Hamburg und Leipzig
15. Oktober 1849 Aufführung seines ersten Liederspiels „Die Zillerthaler“ im Thalia-Theater Hamburg Weitere Werke: „Die Frau Tante“, „Ein armer Teufel“, „Die Pflege-Kinder“, „Die Soldatenfamilie“,
„Die Thalmühle“, „ Der Gnom und sein Narr“, „Sechs Stunden Durchlaucht“, „Nur reell“
„Alle sind frei von Lascivitäten und bekunden
großes schriftstellerisches Talent.“ (Dt.Th.Alman.1880, S. 132)
Juni-Juli 1850 Gastspiel am Dresdner Hoftheater
1851-1853 Schauspieler am "Carl-Theater" Wien und am "Theater an der Wien"
13.Juni 1853 Erstes Gastspiel des Komikers J.F. Nesmüller vom "k. k. privileg. Carls-Theater" in Wien im "Sommertheater auf Reisewitz" in Plauen bei Dresden
„Stadt und Land oder: Der Viehhändler aus Ober-Österreich“ Posse mit Gesang in 3 Akten von Friedrich Kaiser, Sebastian Hochfeld - J.F. Nesmüller
1854 Direktor des Stadtheaters Freiberg und des Sommertheaters auf Reisewitz
Herbst 1854 Konzession für die "Alt-und Neustadt zur Errichtung eines Zweiten Theaters (Volkstheaters) in Dresden" von König Johann,
Nesmüller bezeichnet sich als Direktor des Volkstheaters
Montag, 25. Dezember 1854 Beginn der Vorstellungen des Volkstheaters
in der zweiten Etage (Interim) des Gewandhauses mit:
Prolog, „Die Fruchthändlerin“ Schauspiel in 5 Akten, „Die Wasserträger von Paris“
nach Macon von Julius Meißner,
14. Juni 1856 Grundsteinlegung für das "Sommertheater im Großen Garten"
2. Juli 1856 Eröffnung des "Sommertheaters im Großen Garten" (Baumeister Sonntag jun., 400 Steh/1680 Sitzplätze, 1200 überdacht, Königsloge, Salon, Pächter: Nesmüller)
mit „Er ist Baron, oder: Unter den Linden und in der Reezengasse“, Posse mit Gesang in 3 Aufzügen von Rudolf Hahn, Musik von Theodor Hauptner, Ort der H.: Berlin
14. Dezember 1856 Neueröffnung des "Zweiten Theaters" im Gewandhaus, Neubau über zwei Stockwerke, Ölbeleuchtung
1862 wird Traugott Ferdinand Marcus (* 25. Januar 1837 Niewitz/Spreewald, ✝ 15. September 1882 Siegen) als Nachfolger Eduard Eberweins Musikdirektor und Komponist an Nesmüllers Theater. Sein Debut-Dirigat hat er am 20. April zur Saisoneröffnung des Sommertheaters im Großen Garten mit
"Die Weibermühle, oder: alle Alten werden jung gemahlen", Volks-Zauberposse mit Gesang in drei Aufzügen von Morländer, Musik von Suppé. Marcus' Leistungen als Orchesterleiter werden von Publikum und Hofgesellschaft von Beginn an sehr geschätzt und in Pressekritiken oft gewürdigt. Allerdings ist er nach vielen Erfolgen in den ersten beiden Jahren mit den oft unkonventionellen und spontanen Regieeinfällen Nesmüllers nicht mehr einverstanden, da sie seine Arbeit mit dem Orchester und damit die musikalische Qualität beeinträchtigen und nicht seinen Theaterauffassungen entsprechen. Diese Differenzen mit dem Direktor lassen ihn schon nach drei Jahren bei Nesmüller kündigen.
Er verlässt Dresden geradezu fluchtartig nach Siegen und weiter nach Übersee und wird im August 1865 bei der niederländisch-indischen Armee in Batavia Stabskapellmeister. Mit musikalischem Können und Zielstrebigkeit erreicht er große Beliebtheit.
Als König Chulalongkorn von Siam 1871 Singapur und Batavia besuchte,
wurde ihm in Batavia ein „Siamesisches Volkslied“ vorgespielt und von ihm als nicht siamesisch erkannt. Der König ersuchte Marcus daraufhin, die bis dahin nur mündlich überlieferte siamesische Nationalhymne nach dem Gehör aufzuschreiben, zu instrumentieren und eine Partitur der Kultur seines Landes im Rahmen der Modernisierung und nationalen Entwicklung zu übereignen. Als Dank und Auszeichnung verlieh er Ferdinand Marcus den Titel „Offizier des kgl. Siamesischen Kron-Ordens“ und schenkte der Kapelle 1000 Gulden. Diese Hymne war bis zum Staatsstreich in Siam 1932 in Gebrauch und wurde dann durch eine Komposition von Peter Veit abgelöst.
Einige Noten seiner Kompositionen, drei Briefe an Nesmüller, die Sterbeurkunden von Ferdinand Marcus, seiner Frau Bertha, geb. Schröder und seines Sohnes Max, Meldungen in deutschen und holländischen Zeitungen sowie eine einfache Kopie eines Portraitfotos sind erhalten geblieben. Die akribischen und unermüdlichen privat-biografischen Nachforschungen von Frau Roswitha Fischer(ehemals Touré), die mich an ihren Erkenntnissen teilhaben ließ und von der ich dankenswerterweise Kopien aller von ihr gefundenen Dokumente erhielt, konnte ich mit Material aus der Dresdner Presse und Bühnenschriften jener Zeit untermauern. Die Vervollständigung der Biografie wird fortgesetzt. Insbesondere Ferdinands Ausbildung und seine Zeit in Driesen sowie die Jahre in Batavia stehen dabei im Focus.
Kompositionen von Ferdinand Marcus:
1859 (Ferdinand ist 22 Jahre alt)
Erste Kompositionen erscheinen im August und Dezember gedruckt:
Op. 1 „Jugendträume“ Galopp Erscheinungsort Frankfurt/O.;
Op. 2 „Abschieds-Polka“;
Op. 3 „Wiedersehen“ Galopp;
Op. 4 „Propheten-Polka-Mazurka“;
Op. 5 „Belle-Alliance-Polka“ Erscheinungsort Frankfurt/O.
1862/63
„Fest-Ouvertüre“ (12/1862);
„Fee Vogelwiesa oder: Die mißlungene Kur“ Ein Fastnachtsmärchen mit Gesang in einem Aufzug;
„National-Festklänge“ Marsch;
Ouvertüre nach „Ein feste Burg“ zum Schauspiel „Luther“
1863/64
„Ein Feldlager oder: Deutsche Soldaten in Schleswig-Holstein“
Zeitgemälde mit Gesang in einem Akt;
„Tausend Grüße an Dresden“ Marsch; „S‘ Mailüfterl“ Polka-Mazurka; „Sachsen-Marsch“;
1864/65
„Hofball-Quadrille“ zu Ehren der Vermählung von Prinzessin Sophie;
1865 (?) „Scheidegruß“ Marsch;
In Batavia
1865 „Mein Gruß an Holland“ Marsch Nr. 4
„Groete aan Batavia“ (Grüße an Batavia) Marsch Nr. 6
„Er is maar één Buitenzorg“ (Es gibt nur ein Buitenzorg) Polka Mazurka
Frau Elise Levijssohn Horman geb. Zoetelief Hochachtungsvoll gewidmet.
1871 Notierung und Arrangement der Siamesischen Nationalhymne "Phleng Chat"
Ausschnitt aus der "Hofballquadrille" von Ferdinand Marcus (Christian Garbosnik, Klavier)
Dezember 1864 Agnes Nesmüller eröffnet das erste Kindertheater in Dresden in der Landhausstrasse 7 im Hinterhaus II. Stock
1865 Kauf des Sommertheaters im Großen Garten durch Nesmüller, Renovierung 4. Juni 1865 Wiedereröffnung als „Nesmüllers Sommertheater“, jeden Tag vor der Vorstellung eine Stunde Konzert der Theaterkapelle unter MD Heckel
9. Juni 1867 zum ersten Male in Dresden und dann an 150 Abenden wird im Theater Nesmüllers Kalospinthechromokrene (beleuchtetes Wasserspiel) am Schluß der Vorstellung gezeigt. Erbauer Gustav Kluke aus Berlin, Vorführer Ali Belly
8.12.1867 Eröffnung von Nesmüllers Weihnachts-Ausstellung im Gewandhaus, eine Märchenwelt mit "brillanter Gasbeleuchtung", ausgeführt von den Dekorationsmalern Gebr. Borgmann und Falk aus Berlin, mit Theatervorstellungen (am 8.12. zum 14. Mal „So sind die Weiber“)
13.1.1868 Novitäten: „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ Schönbartspiel von Goethe, mit dem Zwischenspiel „Die beiden Blinden“ von Offenbach; hierauf:
„Fitzliputzli oder: Die Teufelchen der Ehe“ Operette von Zaitz (1865 für das k.k.pr. Carltheater),BEGINN DER OPERETTE IN DRESDEN
Juni 1868 „Orpheus in der Unterwelt“ von Offenbach im Sommertheater, Nesmüller spielt den Jupiter
12. Juli 1868 „Pariser Leben“ Komische Oper von Offenbach,
Nesmüller spielt Gondremark, neue Dekorationen, großer Publikumsansturm, Beifall steigerte sich von Akt zu Akt, Einrichtung des Buches läßt Gabriele (Frl.Weihrauch ganz vorzüglich) im 3. Akt als Admiralin erscheinen, Nesmüller beherrschte die Szene, Duett mit Frl. Weihrauch im 3. Akt so dezent und beachtungsvoll gespielt, wie es ein deutsches Publikum nur wünschen kann. Dem Zweiten Theater gereicht „Pariser Leben“ zur Auszeichnung, denn es hat mehr geleistet, als man bei höchsten Ansprüchen erwarten kann (DA 13.7.1868)
30. Dezember 1868 Der Dresdner Stadtrat kündigt Nesmüller die Nutzung des Gewandhauses zum 1. Januar 1870
28. Januar 1869 „Die schöne Helena“ im "Zweiten Theater", Komische Oper von Offenbach,
Nesmüller spielt den Calchas
29. März 1869 „Die Frau Meisterin“ Komische Operette von Suppé zum 1. Mal, 9. Juni 1869 „Flotte Bursche“ Komische Operette von Suppé
22. Juli 1869 „Blaubart“ Komische Oper von Offenbach in "Nesmüllers Sommertheater", zum 1. Male,
Nesmüller spielt König Bobèche, Boulotte ist die beliebte und bekannte Laura Schubert a.G. vom Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater in Berlin
25. August 1869 „Die Großherzogin von Gerolstein“ Komische Oper von Offenbach
zum 1. Male,Nesmüller spielt General Bumm, Laura Schubert a.G. die Großherzogin
1. Dezember 1869 Bestätigung der Kündigung des Gewandhauses trotz erfüllter Zahlungsverpflichtungen Nesmüllers wegen "Brandgefahr und mangelnder Qualität des Theaters für ein städtisches Gebäude in Dresden" sowie der
„mit Vorliebe gegebenen, einer sehr zweideutigen Moral huldigenden Offenbachiaden und deren keineswegs discreter Darstellung „.
Vierte Beilage des DA“ 8.12.1869
1. Januar 1870 Benefiz-Vorstellung für das gesamte Herren-Personal des Zweiten Theaters bei festlicher Beleuchtung
mit Prolog „Hans Wurst zu Neujahr“ und „Im Laufe unseres Jahrtausends“,
2. Januar 1870 Abschiedsvorstellung des Zweiten Theaters- Benefiz für das gesamte Damen-Personal mit Prolog „Hans Wurst zu Neujahr“ und „Im Laufe unseres Jahrtausends“,
ab 1. Mai 1870 ist "Zweites Theater" nur noch "Nesmüllers Sommertheater" im Kgl. Großen Garten, ab 1872 (Eröffnung des Herminia-Theaters und 1873 des Albert-Theaters) zunehmend Publikumsschwund und finanzielle Probleme, Rettungsversuche durch Anmietung anderer Spielstätten scheitern
11. Mai 1877 Eröffnung des "Sommertheaters" mit der „Fledermaus“ von Strauss, Nesmüller spielt den Frosch
26. Mai 1877 zum 1. Male „Der Carneval in Rom“ von Strauss
Durch Einspruchsverhandlungen kan Nesmüller trotz Entzug der Konzession 1880 im Sommer 1881 noch einmal spielen, aufgeführt werden u.a. „Die Proletarier von Paris“ von Zola, „Der Revisor“ von Gogol, „Dresdner Leiden, oder: Glück und seine Launen“ Dresdner Lebensbild mit Gesang von A.W., Musik von Fischer
13. Juli 1881 Ablehnung von Nesmüllers Einspruch durch das Ministerium des Innern, Schluss der Vorstellungen bis 18. Juli verfügt
18. Juli 1881 Abschieds-Gastvorstellung der plattdeutschen Schauspieler mit „De lütt Heckenros“ und „Hamburger Leiden“
Schluss des "Zweiten Theaters"
Juni 1884 Abriss des Sommertheaters im Großen Garten
Bis 1887 wohnt Nesmüller noch in Dresden, wird 1887 Regisseur des Schauspiels und der Posse und Dramaturg am Concordia-Theater Hamburg, gastiert bis zu seinem Tod mehrmals als Schauspieler im Residenz-Theater in Dresden
3. September 1874 Eröffnung des Volkstheaters im Viktoriasalon Waisenhausstraße 25 Auftreten des gesamten darstellenden Künstler- und Ballettpersonals und der Spezialitäten:
Therese Devalée - franz. Chansonettsängerin, Stella de Vere - engl. Chansonettsängerin, der Geschwister Young und Blanche Blondin aus Paris - Equilibristen
2. März 1895 Eröffnung des Apollo-Theaters in der Görlitzer Straße 6 durch Direktor Julius Fischer, Prolog verfasst und gesprochen von William Schüff, Theaterkapelle unter Leitung von Herrn Finke, Bauchredner Mr. Leonhardt, Kostüm-Soubretten Frl. Helma de la Croix und Regina Erika